Die konkrete Haftung der Aktivistinnen und Aktivisten bzw. der „Last Generation“ für Straßenblockaden und Flughafenblockaden wird von den Gerichten im Einzelfall zu beurteilen sein. Der juristische Meinungsstand in Österreich hält Schadenersatzansprüche des Flughafenbetreibers wegen der Verletzung von Eigentumsrechten und diesen gleichzuhaltenden Nutzungsrechten für realistisch. Beschädigte Sachen oder Ersatzansprüche von Fluglinien gegenüber dem Flughafen gelten demnach grundsätzlich als ersatzfähiger Schaden.
Demgegenüber sollen durch Protestmaßnahmen verursachte Beeinträchtigungen ohne Eingriff in Eigentumsrechte, wie beispielsweise verpasste Termine von im Stau stehenden Autofahrern, Nachteile von Flugreisenden aus Flugverspätungen und Störungen des Geschäftsbetriebes von Fluggesellschaften als „bloße“ Vermögensschäden zumindest im außervertraglichen Bereich nur unter bestimmten Voraussetzungen ersatzfähig sein (vgl. Huber/Schultess, Haftung von Klimaaktivisten, Schadenersatzpflicht bei Angriffen auf Kunstgegenstände, Flughafen-, Gleis- und Straßenblockaden, ÖJZ 2023/43, 260 und Zak 2023/213). Ein besonderes Schutzgesetz, das einen Ersatzanspruch für „Demonstrationsschäden“ anordnen würde, gibt es nicht. Ob den Aktivistinnen und Aktivisten eine „absichtliche, sittenwidrige Schädigung“ angelastet werden könnte, wäre argumentierbar, aber fraglich.
Die Rechtsprechung ist zurückhaltend im Zuspruch „bloßer“ Vermögensschäden im außervertraglichen Bereich, weil Ersatzpflichten nicht ins Unvorhersehbare „ausufern“ sollen.
Dieses Ergebnis wäre unbefriedigend und würde ein ungerechtfertigtes Rechtsschutzdefizit erzeugen. Die Protestmaßnahmen der „Last Generation“ sind spezielle Sachverhalte, wenn man bedenkt, dass es den „Klimaklebern“ ja gerade darauf ankam, unter dem Titel der „Abwendung einer Klimakatastrophe“ durch ihre Protestmaßnahmen aktiv zu „stören“. Um auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen, wurde das Demonstrationsrecht in einer Weise ausgeübt, die individuelle und volkswirtschaftliche Nachteile bewusst in Kauf nahm.
Gandhi, ein namhafter Vertreter der gewaltlosen Protestform des „zivilen Ungehorsams“, soll gesagt haben: „Die Pflicht eines Bürgerrechtlers ist es, zu provozieren.“ Die Freiheit zur Provokation enthebe aber niemanden von der Verantwortung für das eigene Tun: „Freiheit war niemals gleichbedeutend mit einem Freibrief für Willkür“. Erwachsene Menschen bleiben auch in Ausübung ihres Demonstrationsrechtes für ihr Verhalten verantwortlich.
Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit sind keine unbegrenzt gewährleisteten Grundrechte. Das Agieren destruktiver Neigungen unter Missachtung der Grundfreiheiten anderer durch mehrstündige Verkehrsblockaden an zentralen Verkehrsknotenpunkten im Berufsverkehr oder die Gefährdung der Verkehrssicherheit auf Flughäfen überschreitet wohl den Deckungsbereich der Versammlungs- und Meinungsfreiheit bzw. verfehlt von Vornherein das legitime Ziel.
Dem Argument, dass Ersatzpflichten nicht ins Unvorhersehbare „ausufern“ sollen, wird im Fall der „Klimakleber“ wohl entgegenzuhalten sein, dass wer eine solche Aktion plant und durchführt, auch in der Lage sein wird, die daraus entstehenden Konsequenzen bzw. potenziellen Schäden zu erkennen. Im Fall der Straßenblockaden und Störaktionen am Flughafen ist also nicht zu besorgen, dass Ersatzpflichten ins Unvorhersehbare „ausufern“. Für den (unwahrscheinlichen) Fall, dass die beteiligten Aktivistinnen und Aktivisten im Zeitpunkt der Planung und Durchführung ihrer Protestmaßnahmen tatsächlich nicht über die „gewöhnlichen Fähigkeiten“ zum „Verstandesgebrauch“ verfügt haben sollten, wäre das Problem auf einer ganz anderen Ebene zu suchen. Davon wird wohl nicht auszugehen sein, weshalb im Ergebnis wohl gute Argumente dafürsprechen werden, den „Klimaklebern“ die Verantwortung für ihre Aktionen im vollen Ausmaß zuzurechnen.
Das ist nicht der Ruf nach einer Reaktion des Gesetzgebers durch noch ein Anlassgesetz. Das allgemeine Schadenersatzrecht ist eine funktionierende Grundlage, wenn es unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls konsequent angewendet wird.
Schließlich hat erst die Konfrontation mit den haftungsrechtlichen Konsequenzen in Form von Schadenersatzforderungen in beträchtlicher Höhe aufgrund der Protestmaßnahmen am Flughafen Frankfurt und am Flughafen Wien die Aktivistinnen und Aktivisten der „Last Generation“ dazu bewegt, ihre Aktionen zu hinterfragen.